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Preisträgerin Mari Akazawa

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Mari Akazawa, Klasse 11, GymnasiumCarolinum Neustrelitz

Ein Auslandsjahr machen


Ein Auslandsjahr machen, das klingt nach einem interessanten Erlebnis, einergroßen Erfahrung, nach einer Möglichkeit, eine neue Kultur und Sprachekennenzulernen. Ein Auslandsjahr machen, das klingt nach einer Herausforderungund auch nach einem mehr oder weniger kostenintensiven Abenteuer. Doch wassteckt wirklich hinter einem Auslandsjahr? Und ist das nicht eigentlich nurZeitvergeudung?

Meist benötigt es nur einen kurzen Impuls, eine spontane Idee oder dieAbenteuerlust und schon sucht man im Internet nach Organisationen, die einenSchüler bei einem Auslandsjahr unterstützen und begleiten. Darauf folgend liestman sich Erfahrungsberichte über Auslandsjahre durch, informiert sich überverschiedene Länder und bestellt diverse Broschüren. Hat man dann den Mutgefasst sich bei einer Organisation zu bewerben, braucht es viel Geduld undZeit um die Anmeldebedingungen zu erfüllen. Das heißt also: Alte Zeugnisseheraussuchen, Schulbestätigungen besorgen, sämtliche Unterschriften von Lehrerneinholen und ein Profil erstellen, indem Hobbys und Interessen bekannt werden.Hat man das erst mal alles geschafft, heißt es warten, warten auf eineRückmeldung. Hat die Organisation Interesse an mir? Werde ich die Möglichkeitbekommen, ins Ausland zu gehen? In diesem Moment steht die Organisation, beider man sich beworben hat, an oberster Stelle. Entscheidet die Organisation füreinen, wird dieser zu einem sogenannten „Auswahlgespräch eingeladen". Beidiesem Gespräch trifft man auf andere „angehende" Austauschschüler,unterhält sich mit diesen und wird aufgrund von verschieden Gruppendiskussionenbewertet. Dabei lernt die „Jury" die interessierten Schüler näher kennenund versucht so einzuschätzen, ob diese denn bereit für ein Jahr im Auslandsind. Eine solche Jury setzt sich meistens aus Mitgliedern der Organisationzusammen, sowie alten Austauschschülern, die ihre Erfahrungen in einem anderenLand schon gesammelt haben. Erste Anspannung und Aufregung sind bei einemsolchen Auswahlgespräch total normal. Man braucht sich allerdings nicht davorzufürchten, auf Faktenwissen abgefragt zu werden. Denn für ein Auslandsjahr istes nicht notwendig herausstechende Schulnoten oder Referenzen zu haben. Es gehtdarum, echtes Interesse zu zeigen und eine gewisse Reife mitzubringen. Darüberhinaus hat man oft auch die Möglichkeit sich für Stipendien verschiedenster Artzu bewerben bzw. Auslands-BAföG zu beantragen. Das sind hilfreiche Angebote,die Schüler und ihre Familien mit finanziellen Schwierigkeiten sehrunterstützen.

Hat man es nun geschafft und wurde bei einem solchenAuswahlgespräch als geeignet angesehen, bekommt man eine Zusage von derOrganisation, die sich fortan darum bemühen wird, ein Auslandsjahr für denentsprechenden Schüler zu ermöglichen. Danach folgen unzählige Briefwechsel,bei denen es um Finanzen, Termine zu Vorbereitungstreffen und andereorganisatorische Dinge geht. Natürlich beginnt mit der Zusage der Organisationauch das heiße Warten auf die Zusage des gewählten Landes und vor allem eineGastfamilie. Denn nicht immer ist es dem Schüler möglich, ein Auslandsjahr inseinem Wunschland zu machen.
Viele Länder wie USA, England und Frankreich sind sehr beliebt und oft ist esschwierig jedem Schüler sein Wunschland zu versprechen. Alle Schüler habenverschiedene Gründe, warum sie ins Ausland reisen möchten. Die einen treibt dieAbenteuerlust in ein vollkommen fremdes Land, die anderen das Verlangen eineneue Sprache zu lernen oder eine Fremdsprache zu verbessern. Manch einer hatsich während eines Urlaubsaufenthaltes in eine Gegend verliebt und möchte derenKultur näher kennenlernen. Wieder andere wollen sich bei einem Auslandsjahrselber finden und entdecken, herausfinden was sie selbst im Leben bewegt undantreibt. Die verschiedensten Gründe treiben die verschiedensten Menschen dazuein Jahr in einem anderen Land zu verbringen, sich von ihrer Familie zuverabschieden, in einer Gastfamilie zuwohnen, sich in eine neue Kultureinzubringen, Toleranz zu zeigen, Sitten und Bräuche anderer zu akzeptieren undteilweise auch anzunehmen.

Was auf einen zukommt, wenn man weiß in welches Land das Abenteuer gehen sollund in was für einer Gastfamilie man wohnen wird, weiß man nicht Viele Fragenund Gedanken schwirren einem im Kopf. Viele Ängste und Fragen bombardieren dasGehirn und die Gedankenwelt beschäftigt sich kaum noch mit einem anderen Thema.Man wundert sich banale Dinge wie zum Beispiel: Wird man in dem ganzen JahrFreundschaften schließen können, wie sehr wird man seine Familie vermissen,muss man eventuell seine Gastfamilie wechseln, muss man seine Wäsche selberwaschen, was wird man für Aufgaben in der Gastfamilie bekommen, wie wird dasZimmer aussehen, indem man wohnen wird und was sollte man in einen maximal 23kg schweren Koffer alles einpacken.

Doch trittman ein solches Auslandsjahr mithilfe einer Organisation an, hat man das Glückauf mindestens ein Vorbereitungscamp eingeladen zu werden, wo man auf vieleandere zukünftige Austauschschüler und Austauschschüler trifft, die bereits vonihrer großen Reise zurückgekehrt sind. Dort werden die Schüler aufverschiedenste Arten auf ein Auslandsjahr vorbereitet, sie finden Antworten aufviele Fragen und treffen auf Schüler, die meistens die gleichen Ängste undAufregungen teilen. Trotzdem ist einem sicher nicht jede Angst genommen, bevorman sein Abenteuer antritt. Doch in einigen Fällen mag es auch möglich sein,das Ängste unterdrückt werden oder gar nicht erst aufkommen. Zu unrealistischerscheinen die Gedanken daran, bald in einem fremden, fernen Land, weit weg vonFamilie, Freunden und Gewohnheiten zu wohnen. Wie könnte man auch? Man hat dochso etwas nie zuvor erlebt.

Dann ist es endlich so weit, die Aufregung hat ihren Höhepunkt erreicht, derKoffer ist gepackt und die Tatsache, dass die Reise losgeht, liegt klar auf derHand. Und doch mag es in manchen Fällen so sein, dass einem nicht bewusst ist,dass man Freunde- und Familie für eine recht lange Zeit nicht mehr sehenwird.

So war es zum Beispiel in meinem Fall. Ich erinnere michdaran, dass ich einige Nächte bevor ich mein Auslandsjahr nach Schweden antrittweinend im Bett lag, weinend, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommenwürde und ich Angst davor hatte, diese Herausforderung nicht meistern zukönnen. Gedanken an meine Geschwister schossen mir durch den Kopf, wie vielKontakt würde ich zu meiner leiblichen Familie haben? Was wäre, wenn etwaspassieren würde, während ich nicht zu Hause bin, was, wenn ich meineGeschwister nicht wiedererkennen würde, wenn ich nach einem Jahr wiederkomme?Nicht eine einzige Träne floss über mein Gesicht, als ich meine Brüder sowiemeinem Vater am Flughafen verabschieden musste. Nicht etwa weil ich nichttraurig war, sondern weil ich wahrscheinlich überfordert war. Überfordert mitder Vorstellung, für 10 Monate von ihnen getrennt zu sein. Und sie nun dasletzte Mal in die Arme zu schließen und ihnen nun ein letztes Mal von Angesichtzu Angesicht gegenüber zustehen. Denn in 10 Monaten würde zwar ich wieder vorihnen stehen, doch ich würde nicht die gleiche Person sein. Und ich kann michbis heute an den Abschied von meiner geliebten Familie erinnern, als wäre esgestern gewesen.

Los ging der Flug ins Abenteuer und selbst da hatte ich es noch nicht realisiert,ein Auslandsjahr in Schweden, ich? Eine neue Sprache lernen, neue Freundefinden, in einer anderen Familie wohnen, auf eine neue Schule gehen, Teil eineranderen Kultur sein? Darüber war ich mir nicht bewusst. Ich wusste nicht, wasauf mich zukommen würde. Und hätte ich gewusst, was mich erwarten würde, hätteich es vielleicht nicht versucht. Dann wäre ich vielleicht daheim geblieben, inDeutschland. Doch ich tat es und ich bereue es nicht.

Nachdem ichmich etwas in meiner Familie eingelebt hatte, ging die Schule los. Ich war hellbegeistert von ihren Angeboten an Fächern. Mein Stundenplan enthielt sehr vieleMusikstunden und das entsprach total meinen Interessen und ermöglichte mirviele Leute durch dieses gemeinsame Hobby kennenzulernen. Doch schon am erstenSchultag wurde mir bewusst, dass dieses Jahr nicht so leicht sein würde, wieich es mir vorgestellt hatte. Ich kam in eine neue Klasse, in der sich diemeisten Schüler noch nicht kannten. Das war ganz klar ein Vorteil für mich,doch mein Sprachdefizit machte es sehr schwer mich in die Gespräche meinerKlassenkameraden einzubinden. Schon am ersten Tag überkam mich ein Gefühl vonVerzweiflung, Tränen schossen mir in die Augen und ich hatte Angst, dass meinganzes Auslandsjahr ein Schreckenserlebnis werden sollte, indem ich ganz alleinda stand. Wie sollte ich die Sprache lernen? Wie könnte ich Freunde finden? Waserzählten die Lehrer in der Einführungswoche? Mit wem gehe ich essen? Wie findeich den Raum, ich möchte nicht allein in der Pause sein - viele Gedanken undSituationen, die einem Kraft raubten. Und schon wieder gründeten sich vieleneue Fragen in meinem Kopf, Fragen die ich voller Verzweiflung versuchte zubeantworten, es aber nicht konnte. Scheinen diese Dinge noch so simpel zu lösenund zu beantworten zu sein, waren diese Fragen in dieser Situation wahreNervenkiller.

Mir gelang es schnell die Sprache zu lernen und dann auch Anschluss zu finden,doch ich hatte die ersten Monate nicht das Gefühl, ein Teil der Gruppe zu seinoder integriert zu sein. Extra schnell schlang ich mein Essen hinunter, damitich nicht alleine in der Mensa essen und sitzen müsste. Ich wollte die Pausennicht allein verbringen, auch wenn ich nicht viel zu den Gesprächen meinerKlassenkameraden beizutragen hatte, versuchte ich ein Teil der Gruppe zuwerden. Doch bald realisierte ich, dass es mir nichts bringen würde, michzwangsweise in etwas zu integrieren. Die Gespräche meiner Mitschüler über Modeinteressierten mich nicht und ich begann mich abzusondern. Ich verbrachte diePausen allein und hatte viel Zeit nachzudenken. Nachzudenken über allesMögliche, über mich, die Welt, meine Heimat, meine Freunde aber vor allem übermich. Während dieser Zeit war ich sehr viel zu Hause und hatte wenigeaußerschulischen Aktivitäten. Meistens kam ich nach Hause und schlief. Ichhatte zwischenzeitig einige Schlafstörungen und als das nicht genug war,stürzte ich in ein großes Loch vor Einsamkeit. Etwas, das vieleAustauschschüler während ihres Auslandsaufenthaltes durchleben, ist es, sichGedanken über sich selbst zu machen. Schafft man es nicht, sozialen Anschlusszu finden, so fängt man nach einer gewissen Zeit an, darüber nachzudenken, obman ein falscher oder auch komischer Mensch ist. Ob man auf welche Art undWeise auch immer, den Ansprüchen der anderen nicht entspricht, und fragt sich,was man denn falsch macht. Auch, wenn in eigentlich jedem Erfahrungsbericht vonehemaligen Austauschschülern erwähnt wird, dass man sich keine Vorwürfediesbezüglich machen, da es total normal ist, dass es nicht einfach ist,Anschluss zu finden. Doch das soll kein Grund sein, ein Auslandsjahr nichtanzutreten, da ich der festen Überzeugung bin, dass genau dies ein Auslandsjahrausmacht. Man ist allein, verzweifelt und traurig, doch davon wird man lernenzu sich selbst zu stehen, sich zu akzeptieren und stark zu werden.

Nachdem ich also in ein tiefes Loch stürzte und den Fakt akzeptierte, dass esin meiner Klasse eben keine Leute gab, die meine Interessen vertraten, bildetesich eine eigenartige Art von Hass auf alle und alles. Die Gesprächsthemenmeiner Klassenkameraden waren meiner Meinung nach banal und uninteressant,schwedische Traditionen verpönte ich und machte mich lächerlich über sie, ja,aus meiner Verzweiflung bildete sich eine Art Hass. Die vielen Eindrücke undUnterschiede, mit denen ich nicht gerechnet hatte, versetzen mir einenregelrechten Kulturschock, aus dem ich nicht so leicht rauskommen würde. Ichversuchte mich in dieser Phase auf meine Hobbys zu konzentrieren, doch dasgelang mir nicht. Mit tränengefüllten Augen saß ich im Unterricht, sah keinenAusweg, wusste nicht, wie ich mir helfen konnte, fand keine Hilfe, dort wo ichsie suchte. Zum einen war ich schulisch stark unterfordert, was mich wiederumpsychisch stark überforderte. Ich würde fast behaupten, dass ich in einemdepressiven Loch versunken war und sah mich als ein Opfer. Während dieser Zeitwar mein Gehirn in Dauerbetrieb und ließ mich keine Minute ruhen. Jedoch möchteich an dieser Stelle betonen, dass ich nie von einer Art Heimweh betroffen war.Es ging mir nicht darum, dass ich zurück nach Hause wollte, nein. Ich wollteein schönes Auslandsjahr erleben, Freunde finden, und als Gewinner nach Hausegehen.

Dann nachungefähr 4- 5 Monaten geschah es, ich schöpfte Mut und Kraft, als ich ein paarLeute kennenlernte. Sie ließen mich daran glauben, dass mein Auslandsjahr dochein Erfolg sein würde, eine Bereicherung und das sich alles lohnen würde. Bald,nachdem ich die erste Hoffnung geschöpft hatte, traten 2 Menschen in mein Leben,die vieles verändern sollten. Diese zwei Menschen waren auch Austauschschüler,die ebenfalls meine schwedische Schule besuchten. Sie kamen schier plötzlich,bevor ich fast aufgegeben hätte und gaben mir das, was alle Leute erwarten,wenn sie über ein Auslandsjahr nachdenken: Spaß, Freude, Liebe und sieerfüllten mein Leben. Sie wurden zu meinen besten Freunden. Schnell vergaß ichalle Qualen und Schmerzen, die ich verspürt hatte und beschäftigte mich mit denschönen Seiten eine Austauschschülerlebens. Keine ernsthaften Verpflichtungen,die Schulnoten würden sich nicht auf mein Abitur auswirken etc. Während ichviel Spaß hatte, begann plötzlich mein Leben in meiner Gastfamilieanstrengender zu werden. Vorher hatte ich nie viele Pflichten doch das ändertesich, als meine Gastfamilie sich ein Haus kaufte und wir dorthin zogen. Dassich nun Pflichten im Haushalt zu erfüllen hatte, war kein weiteres Problem.Doch wie viele andere Austauschschüler sicher bestätigen können, fühlte ichmich nicht frei. Nicht so frei und unabhängig wie zu Hause. Es galten nicht diegleichen Regeln. Meiner Meinung nach ist das freie Gefühl, dass man zu Hausepflegt ungeheuer wertvoll. So traute ich mich zum Beispiel nie, nachts an denKühlschrank zu gehen und mir etwas zu essen zu nehmen, auch wenn ich dasnatürlich durfte. Ich hatte das Gefühl, dass ich meiner Gastfamilie gegenüberverpflichtet war, viel Zeit mir ihr zu verbringen. Auch wenn das oft hieß,zusammen fernzusehen. Wenn ich mich in meinem Zimmer verbarrikadierte oder einfachnur die Tür schloss um Hausaufgaben zu machen, Zeit zu verschwenden und imInternet zu surfen, zu Skypen oder Musik zuhören, fühlte ich mich immer unwohldabei. Es fehlte einfach immer eine gewisse Freiheit oder auchSelbstverständlichkeit! Letztendlich kann ich sagen, dass ich das Jahr übergelernt habe, sehr tolerant zu sein sowie geduldig. Ich behaupte nicht, dassdas gut war, aber ich ging Streit grundsätzlich aus dem Weg und äußerte meineeigentliche Meinung nicht, was vor allem das Leben in meiner Gastfamilieangeht. Ich versuchte immer tolerant zu sein, ihre Entscheidungen undTraditionen und Bräuche zu akzeptieren und mich nie aufzuspielen. Das tat ichmeiner Meinung nach auch sehr konsequent und gut. Doch leider muss ichhinzufügen, dass eine Last von meinen Schultern fiel, als ich wieder in meinHeimatland kam.

Doch bevor dies geschah, hatte ich mit erneutenGewissensbissen am Ende meines Auslandsjahres zu tun. Diesmal ging es darum,dass ich Angst vor der Rückkehr hatte. Ich hatte Angst davor meine Gastfamilieund meine Freunde dort zulassen. Denn mir war bewusst, dass mit meinerRückreise, dieses Kapitel meines Lebens unaufhaltsam geschlossen werden würdeund keiner könnte sich dagegen wehren. Denn, auch wenn ich wiederkommen würdeum meine zweite Familie zu besuchen, würde nichts so sein, wie es einmal war.Meine beiden besten Freunde, die ebenfalls Austauschschüler waren, würden nichtda sein. Ich wäre kein Schüler meiner dortigen Schule mehr, ich wäre nur dasMädchen, das zurückkäme, um zu grüßen. Außerdem hatte ich Angst davor, dasssich mein Verhältnis zu meinen Geschwistern verschlechtern würde, da ich sehrwenig Kontakt zu meiner Familie hatte. Angst verbreitete sich, wenn ich darandachte, zurück auf meine alte Schule zu kommen.

Wie würde ich auf meine alten Klassenkameraden treffen?Würde ich den schulischen Ansprüchen entsprechen? Was würde mit meinenSchwedischkenntnissen geschehen? Wann würde ich zurück nach Schweden fahren?Wie würde mein Familie und mein Freundeskreis auf mich reagieren!? Ich wundertemich, ob ich mich stark verändert hatte. Ich hatte Angst, ich wusste nicht, wasich tun sollte und ob ich überhaupt zurück nach Deutschland kommen konnte. Ichspielte mit den Gedanken, mein Abitur in Schweden abzuschließen, was mich zweiweitere Jahre gekostet hätte. Ich fragte mich, was ich fühlen sollte. Mir warnicht bewusst ob, ich traurig war, weil ich nach Hause reisen würde oder ob ichglücklich sein konnte nach Hause zu kommen. Ich war hilflos und ratlos, malwieder. Und schon wieder war mein Kopf gefüllt mit unbeantworteten Fragen.

Das Land, die Menschen und die Kultur, die mir am Anfangalles andere als sympathisch waren, waren plötzlich meine neue Heimat geworden.Hier wollte ich bleiben und leben. Auch Fragen über meine Zukunft schossen mirdurch den Kopf, was will ich mal studieren? Werde ich mal wieder nach Schwedenkommen, um dort zu leben? Ich fragte mich, ob ich meine 2 besten Freunde jemalswiedersehen würde und kam nicht mit der Tatsache klar, dass ich mich wirklichdafür bereit erklärt hatte, ein Leben auf begrenzte Zeit zu führen. Ich hattemir die Möglichkeit und somit die Aufgabe geben, mich innerhalb von 10 Monatenmühevoll an etwas zu gewöhnen, mich umzustellen und es dann nach dieser Zeithinter mir zulassen. Natürlich werde ich niemals, das, was ich gelernt habevergessen, aber letztendlich war es wie ein Leben auf begrenzte Zeit. Denn eswird nie mehr so sein, wie es vorher war. Das war eine meiner Einsichten,genauso wie die Tatsache "this is not the end, it's just the beginning ofsomething new", dieses Zitat aus meinem Tagebuch, gab mir Kraft undbrachte mich dazu positiv zu denken. Während ein anderes Zitat, „We are makingmemories" mich immer wieder aus der Bahn warf. Denn immer wenn ich meinebesten Freunde in den letzten Wochen unseres Abenteuers treffen würde, ging mirdurch den Kopf, dass genau das, was wir in eben diesem Moment machen würden,die Erinnerungen an mein „Auslandsjahr" sein würden.

Mit ebenso vielen Fragen im Kopf, mit denen ich nachSchweden reiste, kam ich auch wieder zurück Doch diesmal beschäftigten dieseFragen sich nicht mit banalen Dingen wie: Werde ich meine Wäsche selberwaschen? Werde ich Freunde finden? Was werden meine Aufgaben im Haus sein? Wassoll ich für Gastgeschenke mitbringen etc. Dieses Auslandsjahr hat weitaus mehrgeprägt als nur ein Jahr meines Erdenlebens. Dieses Erlebnis hat noch vielenachhaltige Auswirkungen und deshalb sollte man nie ein Auslandsjahrunterschätzen. Es gibt immer unterschiedliche Fälle, Schüler, die sich schnellund gut einleben. Aber auch Schüler, die nach einigen Monaten wieder nach Hausekehren, weil sie dieser Herausforderung noch nicht gewachsen sind. EinAuslandsjahr wird in den meisten Fällen im Heimatland nicht angerechnet,deshalb muss man meistens ein Jahr in der Schule wiederholen. Aber ob sich daslohnt oder nicht, sollte jeder für sich entscheiden und herausfinden! Wenn mandazu bereit ist, voller Neugier und Selbstfindungsdrang in ein fremdes Land zugehen, dann sollte man das tun. Ich habe unter anderem gelernt Mut zu fassenund Ängste zu überwinden. Ich persönlich sehe dieses Jahr nicht alsverschwendet an, so wie viele Schüler es oft behaupten, da sie so schnell wiemöglich ihr Schulleben hinter sich bringen möchten. Doch ich denke, dass einAuslandsjahr eine einmalige Gelegenheit ist, eine Kultur mit ihren Sitten undBräuchen so nah wie möglich kennen zu lernen.