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Preisträger Christoph Kurzweil

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Christoph Kurzweil, Klasse 9, Gymnasium Carolinum Neustrelitz

Ein Ich kommt nie allein


Leute, findet ihr nicht auch, dass wir uns heute viel zu viele Gedanken über Unwesentliches machen? Exemplarisch fielen mir hierzu die chinesischen Fahrradmanufakturen, südamerikanische Standardtänze, Oboenkonzerte oder auch der eigene Geburtstag ein.
Ich bin der festen Überzeugung, es ist an der Zeit, fünf vor zwölf und allerhöchste Eisenbahn, auch einmal sich selbst, also sein Innerstes zu durchleuchten und in Erfahrung zu bringen, wer oder was da eigentlich in diesem sagenumwobenen Hinterstübchen sitzt und ob es an besagtem Ort nicht einmal Zeit für eine Generalüberholung wäre.
Ich mach dann mal den Anfang: Ich? Nun, wer bin, oder vielmehr -wer ist mein Ich? Gehen wir doch einfach der Reihe nach vor: Mir schien es lange Zeit so, dass ich ein materieller Gegenstand bin, der ohne Sinn und Verstand durch die Welt hüpfte, unbeeindruckt davon, was Mutti und Vati jenem beipflichteten. Zumindest behaupte ich das heute. Später kam dann der Kindergarten - auch pädagogische Früherziehung genannt. Diese Zeit legte wahrscheinlich die Wurzeln für solche Gedankengänge wie hier. Und irgendwann musste ich in die Schule, wurde konfrontiert mit Noten, Lehrern und dem weltberühmten Mensa-Essen. Uneingeschränkt in meiner Persönlichkeitsentfaltung erlebte ich ein mehr oder weniger friedvolles Miteinander, beeinflusst von hochpolitischen Entscheidungen und dem Wetter, und es dämmerte irgendwann. Mir wurde klar, ohne all die anderen, wäre mein Ich nicht das, was es heut' nun mal ist. Schlussfolgern wir daraus: Für ein Ich ist es in der Tat von immenser Bedeutung, mit anderen Ichs in geselliger Runde zu sitzen und das ein oder andere Bierchen zu trinken, die ein oder andere Träne zu vergießen und auch gerne mal herzhaft zu lachen. Im übertragenden Sinne, versteht sich. Es besteht also zwischen uns "weisen Menschen" - frei übersetzt aus dem Lateinischen - eine innerartliche Wechselbeziehung philosophischen Grundgedankens, genau die Beziehung, die tagtäglich für die verrücktesten Dinge sorgt -Ichs freunden sich an, Ichs verlieben sich, Ichs verfassen und lesen solche Texte hier... verrückt, oder? Und das alles geschieht mit Hilfe eines Mediums, welches sich im Laufe der menschlichen Evolution langsam, aber sicher entwickelt hat - Sprache. Selbige gibt es ja bekanntlich zur Verständigung, der sogenannten Kommunikation - ob nun mündlich oder in Schriftform. Und schon sind wir wieder bei den anderen Ichs gelandet. Für unser eigenes wäre es ja schließlich todlangweilig, immer Monologe führen zu müssen. Oder gar nicht zu schreiben. Und wer liest denn nun letztendlich diesen Text hier und bewertet ihn, kritisiert ihn, findet vielleicht Gefallen an ihm? Ich selbst? Wahrlich, ich werde mir ja auch meine Gedanken gemacht haben, doch mein Ich ist ja unsicher, zweifelt und hinterfragt gewisse Unwichtigkeiten. Mein Ich benötigt - so wie jedes andere auch - Bestätigung, und zwar darin, ob es etwas gut gemacht hat, schlichtweg versagte, oder eine ausbaufähige Grundlage schuf. Stellen wir uns doch einfach vor, ich wäre komplett auf mich gestellt. Würde das dem Gelingen meiner Arbeit gut tun? Mitnichten. Somit haben wir den Weg zu unserem Ich bereits wieder gefunden. Wichtig ist - ich wiederhole es sicherheitshalber noch einmal -das Miteinander. Das Miteinander, welches das Ich zum Ich und somit den Menschen zum Menschen macht. Damit verbunden sind natürlich auch die Einflüsse von außen. Konkretes Beispiel: Welcher siebenjährige Bayern-München-Fan sammelt denn Klebebildchen von Vorwärts Buxtehude? Und im Umkehrschluss: Was würde er tun, wenn es Bayern München überhaupt nicht gäbe? Ich will damit eigentlich nur zeigen, dass es schon von Bedeutung ist, in welchen Verhältnissen wir – unsere Ichs - groß werden und wie die Entwicklung vom "kleinen" zum "großen" Ich abläuft. Und dass es von enormer Bedeutung ist, dass es auch Verhältnisse als solche gibt - sage ich. Denn, betrachten wir nur das Ich als Einzelnes, so ist es überhaupt kein Ich. Vielmehr ein Individuum, irgendwo, verloren zwischen Gott und der Welt. Für die echte Existenz eines Ichs sind folglich mindestens zwei davon nötig. Und so etwas schimpft sich "Ich". Wir kennen es irrwitzigerweise als das Wort, welches mich, dich und Otto (Das ist nur eine rhetorische Figur, nicht angegriffen fühlen!) als Egoisten dastehen lässt - und es bezeichnet nichts weiter, als irgendein dahergelaufenes Etwas mit Sonderstatus, welches alleine nicht klarkommt und ständig auf die Unterstützung eines Gleichartigen angewiesen ist. Aber was soll's. Unser Schöpfer - wer immer es auch war - wird sich wohl etwas dabei gedacht haben. Hoffe ich. Es scheint auch etwas Gutes zu haben. Denn ohne die Abhängigkeit von all den Ichs würde unsere Gattung - der "Homo sapiens" - ziemlich viel an ihrer Einzigartigkeit einbüßen. Und wie formulierte schon Martin Buber, ein österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph so trefflich:

„Das Ich wird am Du zum Ich."

Und genau das macht uns Menschen einzigartig.