Die Laudatio hielt Jurymitglied Dieter Menzel
Liebe Bewerber um den Daniel-Sanders-Sprachpreis, sehr verehrte Damen und Herren, werte Stadtvertreter, Herr Bürgermeister, liebe Eltern,
Eltern haben es manchmal nicht leicht. Dass ein Zweijähriger unlängst seine Mutter in der Toilette eingeschlossen hatte, um ungestört das Fernsehprogramm genießen zu können, hat sicherlich nicht nur bei mir Schmunzeln hervorgerufen. Wahrscheinlich ging ihnen beim Lesen der Nachricht, ähnlich wir mir, ein Aufatmen über die Lippen: „Ein Glück, meine nicht.“ Der schier unerschöpfliche Tatendrang der Kinder, die vielen Fragen, die sie stellen sind sicherlich anstrengend. Viele Eltern meinen einen Ausweg gefunden zu haben. Sie haben einen großen Bruder eingestellt. Der steht in den Kinderzimmern und passt auf die Kleinen auf. Jedes zweite Kind hat einen Fernseher in seinem Zimmerchen stehen. In sämtlichen Haushalten, in denen Kinder leben, gibt es mindestens einen Fernseher, während im Vergleich dazu nur 62 Prozent der Haushalte eine Tageszeitung halten. 80 Prozent der Kinder sitzen jedoch oder fast jeden Tag vor dem Fernseher. Das Lesen steht hingegen auf der Beliebtheitsliste ganz unten. Nur fünf Prozent der befragten Kinder zählen das Bücherlesen zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen.
Während das Lesen der Schlüssel zum Spracherwerb ist, baut offenbar dauerndes Fernsehen ein Hindernis auf. Denn Psychologen fanden heraus, dass Kinder, die mindestens ein Jahr lang täglich zwei oder mehr Stunden vor dem Bildschirm verbringen, wesentlich schlechter Geschichten nacherzählen können und einen geringeren Wortschatz aufweisen als andere Kinder. Das grammatikalische Wissen leidet ebenfalls. So konnten diese Kinder häufig nicht sagen, warum der Satz: „Mama stellt die Vase in den Tisch“ falsch ist.
Doch gerade jene Eltern und Jugendlichen, in deren Ohren diese Sätze klingeln sollten, sitzen heute nicht hier. Im Gegenteil: Hier sitzen junge Leute, die alle samt außerordentlich interessante Arbeiten im Wettbewerb um den Daniel-Sanders-Sprachpreis der Stadt Neustrelitz eingereicht haben. Auf diese Kinder und junge Leute, liebe Eltern, können sie sehr stolz sein. Allen Bewerbern kann von der Jury bescheinigt werden, dass sie sich sehr bemüht haben, die Empfehlung für einen guten Sprachstil, des berühmten Lexikografen, Sprachforschers und Lehrers, Daniel Sanders, wörtlich genommen zu haben. „Kein Wort zu wenig, keins zuviel und jedes an der rechten Stelle.„
Alle haben ihr sprachliches Ausdrucksvermögen in den eingereichten Arbeiten unter Beweis gestellt, dabei versucht, ihre Gedanken über ein Konzert-Erlebnis nieder zu schreiben. Aber wie das halt im Leben so ist, manche Texte sind gut gelungen, bei anderen hätte man sich gewünscht, wie es Journalisten zu sagen pflegen, dass „die Feile noch mal angesetzt“ worden wäre.
Der Jury lagen zum ausgeschriebenen Thema „Konzerterlebnis 2006“ zehn Texte von sechs Autoren vor. In der Kategorie Gymnasium 11-13/Berufliche Schule reichten zwei Bewerber sechs Texte ein.
In der Kategorie Gymnasium 8-10: hatte sich ein Jugendlicher beworben, und In der Kategorie Regionale Schule/Gesamtschule gab es drei Bewerber.
In der Kategorie Gymnasium 11-13 Klasse/Berufliche Schule entschied sich die Jury in einer Mehrheitsentscheidung für eine Arbeit von Josefine Bienert, Gymnasium Carolinum, 12. Klasse. Sie hatte sich unter anderem mit dem Text „Brief an eine Freundin anlässlich des Immergut-Festivals 2006“ beworben. Josefine Bienert zeit in dem vorgelegten Text hohes sprachliches Können und sprachliche Gewandtheit. Der Leser spürt den eigenen Stil, den sie jetzt bereits gefunden hat, der, das muss ganz deutlich gesagt werden, ausgeprägte journalistische Fähigkeiten unter Beweis stellt. Zwar wurde die von Frau Prof. Hass, eingebrachte Einschränkung, dass differenziertere sprachliche Register nicht deutlich genug wurden, von den meisten Jurymitgliedern geteilt, dennoch ist der Text mehrheitlich favorisiert. Nach Jury-Meinung wird er dem Anliegen des Preises, also Angemessenheit des Themas, konkreter Adressat und gute inhaltliche sprachliche Ausgestaltung am deutlichsten gerecht. Josefine hat es verstanden, den Leser über viele Details während des Festivals zu informieren, wobei die Situation während des Konzertbesuchs hervorragend beschrieben wird. Josi benutzt die eigene Sprache der Jugendlichen, gleitet aber nicht in die Alltagssprache ab, bewegt sich sprachlich also sehr gekonnt. Man spürt zwischen den Zeilen ihre Begeisterung bei diesem Konzert. Josefine gehört eigentlich schon fast zu den Profis der schreibenden Zunft. Sie ist seit Jahren freie Mitarbeiterin der Zeitung Nordkurier. Seit mehr als 30 Jahren habe viele junge Leute in Redaktionen, die ich geleitet habe, ihre Praktika absolviert. Manchem, der meinte, er müsse unbedingt Journalist werden, weil er sehr gute Noten auf dem Zeugnis aufweisen konnte, haben wir dann doch die Empfehlung gegeben, besser Zahnarzt zu werden. Denn das Vermögen, mit der Sprache umgehen zu könne, ist nicht jedem gegeben. Dir, Josi kann man nur empfehlen, mach weiter auf diesem Wege. Aus dir könnte eine sehr gute Journalistin werden. Glückwunsch auch von der ganzen Redaktion zu der Auszeichnung.
Die zweite Bewerberin in der Kategorie „Gymnasium“ war Melanie Gerasch. Die eingereichte Arbeit wurde von der Jury mehrheitlich auf Platz 2 gesetzt. Haarscharf fiel diese Entscheidung aus, das möchte ich ausdrücklich betonen. Der Text wirkt auf den Leser sehr ehrlich, ja begeisternd, wobei kleine Mängel in der sprachlichen Gestaltung unübersehbar sind. Es gibt in dieser Arbeit viele gute Ansätze, die auf einen sehr expressiven Schreibstil schließen lassen. Das wirkt sehr leseanreizend. Melanie hat es sehr gut verstanden ihre Gefühle vor dem Rockkonzert in Dresden zum Ausdruck zu bringen. Ich würde Ihnen, Melanie, empfehlen, bewerben sie sich nächstes Jahr mit einem neuen Text. Lassen sie ihren Gedanken freien Lauf. Legen sie den Text dann ein paar Tage auf den Schreibtisch und setzten sie dann noch einmal die von mir bereits erwähnte „Stil-Feile“ an. Den Sprachpreis 2008 könnten sie dann in den Händen halten.
In der Kategorie Gymnasium 8-10 Klasse hat sich unter anderem Scarlett Gebauer beworben und zwar mit ihrem Text „Mein Traum“. Es handelt sich hier um einen interessanten Text, in dem viele Spannungsbögen aufgebaut werden. Man spürt darin das Interesse der Autorin an Musik und das Vermögen, sich in die Psyche eines Kindes versetzen zu wollen. Dennoch hätte das Thema sprachlich konkreter gefasst und weiter ausgebaut werden müssen. Die Jury hat den Text als eine interessante, anrührende Arbeit bewertet, sie aber nicht in vollem Maße als preiswürdig eingestuft. Sie hat sich mehrheitlich für die Vergabe einer Fördernden Anerkennung an Scarlett Gebauer ausgesprochen. Glückwunsch.
In der Kategorie Regionale Schule/Gesamtschule hatte sich Patricia Knobloch, Regionale Schule Blankensee, beworben. Der Text „Brief an meine Freundin Lindi, die das Konzert mit der Revolverband nicht miterlebte“ wurde von der Jury als der beste unter den drei Einsendungen in dieser Kategorie gewertet. Patricia hat mit diesem Text Maßstäbe gesetzt, stellt man ihr Alter in Rechnung. Die Begeisterung für das Konzert springt gerade zu auf den Leser über. Man spürt in ihren Zeilen den Stolz auf ihren Papa. In dem Text findet man zum Teil sehr detaillierte Situationsbeschreibungen, ja reportagehafte Züge. Das macht den Text interessant, lesenswert. Patricia benutzt auch genau jenen Sprachstil, der ihrem Alter angemessen ist. Es ist aber glücklicherweise nicht die Alltagssprache der jungen Leute in diesem Alter.
Weitere Bewerber waren Denise Beese und Steve Lauterwald. Steve hat einen spannungsvollen Text vorgelegt, bei dem aber Thema und Adressat noch eindeutiger herausgearbeitet werden müssen.
Meine Damen und Herren, liebe Preisträger, Für`s Leben Brauchbares sollten junge Leute in der Schule lernen, so wollte es Daniel Sanders. Es war ihm ganz wichtig, Mädchen und Jungen zu befähigen den Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Der Daniel-Sanders-Sprachpreis will dabei helfen, indem er die Teilnehmer auffordert, ihr Sprachvermögen zu schulen, sich der Mühe zu unterziehen, einen Text zu schreiben, der den Grundregeln für guten Stil gerecht wird. Was sich so selbstverständlich und einfach anhört, ist es beileibe nicht. Das hat sicher jeder von ihnen schon erfahren müssen, der etwas zu Papier bringen musste, das auch vor den Augen der Öffentlichkeit Bestand haben sollte.
Auch wenn wir heute drei Preisträger benannt haben und auszeichnen werden, so haben wir doch sechs Sieger im Bemühen um eine gute Sprache.
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