Ihre Nachricht wurde erfolgreich versandt.
Okay
neustrelitz-erleben.de

Aus dem Leben von Daniel Sanders

img

Daniel Hendel Sanders wurde am 12. November 1819 in Altstrelitz als zweiter Sohn eines jüdischen Lederhändlers geboren.
Ersten Unterricht erhielt er bei einem Privatlehrer, bevor er 1827 in eine neugegründete "Frei-Schule" der jüdischen Gemeinde und später von dort aufs Gymnasium Carolinum in Neustrelitz wechselte.
Während sein Bruder Alexander das väterliche Geschäft weiterführte, begann Daniel nach dem Abitur 1839 an der Universität Berlin ein breitangelegtes Studium der Naturwissenschaften, Philosophie und Philologie, wie es für Gymnasiallehrer der damaligen Zeit typisch war. Sanders hörte unter anderem bei dem klassischen Philologen August Boeckh, beim jüngeren Heyse und auch bei Jacob Grimm.
Mit einer mathematischen Dissertation wurde er 1842 an der Universität Halle promoviert und auch als preußischer Oberlehrer examiniert, obwohl eine Beamtenstelle an einem Gymnasium oder gar an einer Universität für einen Juden damals selbstverständlich unerreichbar war. So ging er für zehn Jahre (1842 bis 1852) als Oberlehrer und Schulleiter an die jüdische Schule seiner Heimatstadt Altstrelitz zurück.

Sein späteres Wohnhaus, das frühere Prinzessinnenhaus des Hofes, als dieser noch in Strelitz-Alt war, befand sich in der Fürstenberger Straße gegenüber der Sanders-Schule (Sievert-Stiftung) auf dem Grundstück des Hauses, an dem heute eine Gedenktafel angebracht ist.
In die 1840er Jahre fielen Sanders erste Veröffentlichungen, unter anderem zur neugriechischen und zur mecklenburgischen Mundartdichtung.
Im Revolutionsjahr 1848 wurde Sanders Mitgründer des Altstrelitzer "Reform-Vereins", einer Art politischer Partei, und Initiator der sich "radical-demokratisch" nennenden Zeitung "Blätter für freies Volksthum". Zur Erinnerung an die Ereignisse von 1848 wurde sie im August/September 1998 im Strelitzer Echo wiederabgedruckt. Redend und schreibend beteiligte er sich an den Revolutionsaktivitäten in Mecklenburg-Strelitz.
Als der Großherzog 1852 die jüdische Schule schloss, weil zum einen die meisten jüdischen Eltern ihre Kinder mehr und mehr auf die christlichen Schulen schickten, zum andern aber wohl auch, weil Sanders’ politischer Einfluss begrenzt werden sollte, verlor dieser seine Stellung. Der nun arbeitslose Privatgelehrte sollte bis ins 50. Lebensjahr den Status eines minderberechtigten und von großherzoglicher Gnade abhängigen Schutzjuden besitzen. Das änderte sich erst mit den Gesetzen des Norddeutschen Bundes 1869, durch die solch Sonderstatus aufgehoben wurde.
Sanders veröffentlichte noch im Jahr seiner Entlassung, 1852, eine berühmt-berüchtigte Kritik am Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm und begann mit der Arbeit an einem eigenen großen Wörterbuch der deutschen Sprache. Danach erschienen immer neue sprachpädagogische Veröffentlichungen, die ihm ein gewisses Maß an öffentlicher, nicht aber an akademischer Anerkennung brachten. Grimms Schüler und Nachfolger setzten die Strategie des Ignorierens und Herabsetzens fort; judenfeindliche Stereotype spielten bis 1945 keine geringe Rolle dabei. Sanders hat den Beginn des politischen Antisemitismus in den Jahren 1879/80, der sich von den tradierten antijüdischen Ressentiments scharf unterschied, noch erlebt. Aber er starb am 11. März 1897 in der Überzeugung, dass der "Antisemiten Treiben" nur eine vorüberziehende dunkle Wolke vor der "Sonne von Menschlichkeit, Freiheit und Toleranz" (Sanders, Die beiden Apostel, 1880, S. 8) sei.

Bis zum Tode blieb er Aufklärer, Demokrat und ein mit viel Herzenswärme ausgestatteter Vernunftmensch, der einer romantischen Mystifizierung und Verklärung der Muttersprache ablehnend gegenüber stand. Die bewegende Abschiedsrede von "seiner" Schule 1852 zeigt wie auch sein lebenslanger Einsatz für die sprachliche Bildung, dass sein Herz vor allem für die Jugend schlug, deren Chancen in Gesellschaft und Beruf maßgeblich von ihrer kommunikativen Fähigkeiten mit bestimmt werden. Dabei galt sein Interesse stets einer einfachen, klaren, deutlichen Sprache, die der Sache und den Zuhörern bzw. Lesern gerecht wird, nicht schönem Wortgeklingel und selbstverliebten Monologen.

Prof. Dr. Ulrike Hass (1998)